Alltagsstress
- von Julia Tafilaj
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- 11 Mai, 2018
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Was tun?

Samstagmorgen, 08:00.
Die Sonne durchflutet den Raum, die Vögel zwitschern um die
Wette und eigentlich könnte ich glücklicher nicht sein. Ein gellendes
„Mammmaaaaaa“ unterbricht die Stille und Ruhe und mein Blutdruck steigt binnen
Sekunden an.
Das Gehirn spuckt „Alarm, Alarm“ aus und ich spüre, wie sich meine
Gesichtsmuskeln anspannen.
Ich könnte mal wieder einen stressreichen Tag erwarten, an dem ich mich nicht allzu oft wirklich fassen kann, da ich mit der Befriedigung der Bedürfnisse meiner Kinder beschäftigt sein werde.
Da ist er: der Stress
Aber der Stress per se kommt nicht in Gestalt zweier, gerade
mal unzufriedener Kinder daher. Auch nicht in Form der mir gestellten Aufgaben.
Dies sind die Stressoren, die Auslöser.
Laut Hans Selye (einem österreichisch-kanadischen Biochemiker) ist Stress
unsere individuelle Reaktion auf die Auslöser.
Wie gehen wir damit um, wenn uns die Tasse mit frisch gebrühtem Kaffee aus der Hand rutscht und sich das schwarze Gold statt in unsere Kehle über den Boden ergießt? Oder wir "rote Welle" auf dem Weg zur Arbeit haben. Oder der Wecker es nicht bis in unser Bewusstsein geschafft hat.
All diese Reaktionen – jeder von uns reagiert unterschiedlich – sind die Stressreaktionen unseres Körpers.
Laut Selye erfolgt nach jeder Wahrnehmung eines Stressors (Auslöser) eine Anpassungsreaktion. Einer von uns regt sich lautstark über die rote Welle auf, der andere denkt sich: „gut, dann nutze ich die Zeit des Wartens eben und plane gedanklich meinen Tag“.
Wir wissen heutzutage, dass nach jeder Anspannungsphase eine
Entspannungsphase folgen muss, damit die während der Anspannungsphase im Körper
ausgeschütteten Hormone wieder auf Normalniveau reguliert werden können.
Schaffen wir das nicht und folgen in kurzen Abständen weitere Stressoren, so
erhöht sich das Stressniveau in unserem Körper dauerhaft und es können
chronische Erkrankungen die Folge sein.
Ich sag´s euch, ich war und bin mein bester Klient!
Alleinerziehend, ein Kind, nennen wir sie Carlotta, in der Autonomiephase, das hört sich irgendwie weniger kämpferisch an als Trotzphase und eines, nennen wir sie Paula, macht sich gerade auf den Weg in die Pubertät.
Adoleszenz … so wenig greifbar für uns, wie für sie selbst.
Ich kann üben, üben, üben in meinem eigenen Haushalt!
Vor ein paar Jahren, als unser Konstrukt, unser System als Familie zu dritt sich einigermaßen gefestigt hatte, beschloss ich, mich intensiver mit Stressmanagement, Achtsamkeit etc. zu beschäftigen und die Erkenntnisse daraus für meinen, für unseren Alltag zu nutzen.
Vor einigen Jahren hatte ich bereits eine Ausbildung zur Entspannungspädagogin absolviert, nun wollte ich noch mehr über Stressmanagement und Zeitmanagement wissen und lernen.
Im Laufe der Zeit habe ich einen ganzen Methodenkoffer zusammengestellt. Schön archiviert in einem alten hölzernen Apotheker-Karteikästchen. Sortiert nach Bereichen (kognitive Übungen, Achtsamkeitsübungen, Selbstliebe und -vertrauen, Entspannungsübungen).
All diese möchte ich euch in meinem Blog vorstellen. Verknüpft mit Geschichten und Situationen aus dem Alltag, wie sie jeder von uns so oder so ähnlich erlebt.
Da mir das Thema „Alleinerziehend“ aus persönlichen Gründen natürlich sehr am Herzen liegt, werden sich die alleinerziehenden Mütter und Väter unter euch sicher des Öfteren erkennen.
Soviel steht für mich schon fest: Ein Stressmanagement Kurs für Alleinerziehende würde sich in einigen Punkten deutlich von einem klassischen Kurs unterscheiden.
Denken wir nur einmal an die Arbeit mit Ressourcen. Welche, wichtige Ressource steht alleinerziehenden weniger zur Verfügung als anderen? Richtig, die Zeit.
Das wäre doch ein gutes Thema für den nächsten Beitrag... lasst es uns gemeinsam beleuchten und untersuchen.
Herzlich,
Julia
Viele von euch haben sicherlich gerade in letzter Zeit einiges über die sogenannten Glaubenssätze gelesen, gehört oder gesehen.
Glaubenssätze sind durch Erfahrung gelernte Lebensweisheiten. Das, was wir in unserer Kindheit ungefiltert aufsaugen und in unserem Kopf verankern. Wir bespielen quasi unsere Festplatte.
Vieles übernehmen wir in unserer Kindheit von unseren Eltern.
Wenn der Vater bei Tisch beispielsweise von sich gibt:
„Mit
dem was Spaß macht, kann man kein Geld verdienen. Lern was Gescheites, dann hast
du auch ein Auskommen, das dich ernährt.“
Rumms…. Das sitzt…. Unser Kopf speichert diese Aussage nun als wahr ab und wir leben fortan in dem Glauben, vielleicht auch Zwiespalt, dass man sein Leben nur bestreiten kann, wenn man einen Job ausübt, der genügend Geld in die Kasse spült.
Es kann sogar noch weiter gehen.
Wenn wir den Satz umdrehen,
dann kommt die Aussage: „Das, womit wir Geld verdienen, macht keinen Spaß, denn
das ist nicht Sinn der Sache. Er soll uns nur gut ernähren.“
Und jetzt stellt euch mal die vielen Menschen vor, die tagtäglich unglücklich und unzufrieden in die Arbeit fahren und ihren ungeliebten Job erledigen.
Irgendwie beängstigend und traurig, oder!?
Und da kommt man dann auch nicht so schnell wieder raus.
Selbst wenn einem die Frage gestellt wird: „Hey, wenn du 3 Wünsche frei hättest, weil zufällig eine gnädige Fee um die Ecke kommt, welche wären es?“
Dein Herz (das ist dein Bauchgefühl und eigentlicher Kompass
in unserem Leben) sagt sofort innerlich:
„Natürlich eine Arbeit, die mir Spaß
macht!“
Aber da ist ja noch der Glaubenssatz, der dich daran hindern würde, dies auszusprechen, und zwar: „Im Leben bekommt man nichts geschenkt.“
(oft genannt im Repertoire der Glaubenssätze)
OK, nun habt ihr einen kleinen Abriss über die Glaubenssätze gelesen und jetzt kommt es zur Frage: Und wie kann ich die loswerden?
Die Überschrift meines Beitrags lautet ja: „Glaube ich das wirklich (noch), oder kann das weg?“
Wenn wir einen Glaubenssatz aufgespürt, entdeckt, entlarvt haben in unserem System – ich nenne es nochmal unsere Festplatte – dann können wir uns fragen, ob wir das noch immer glauben, oder ob wir diesen Glaubenssatz auflösen wollen.
Am Beispiel weiter oben erklärt, könnte der Mensch nun denken: „Ich fühle mich in meinem Job nicht (mehr) wohl, ich will etwas machen, das mir Spaß macht. Ich brauche eine Arbeit, auf die ich mich jeden Morgen freuen kann.“
Dieser Mensch hat nun den Glaubenssatz, den der Kopf immer geglaubt hat, enttarnt und in Frage gestellt.
Hier ist eine kleine Übung für euch.
In der nachfolgenden Liste könnt ihr einige der gängigsten Glaubenssätze nachlesen.
Sucht euch bitte einen aus, bei dem es bei euch im Inneren klick macht.
Ihr werdet wissen, dass dies eine eurer Überzeugungen ist.
- Wenn ich es nicht mache, macht es keiner.
- Man kann nicht einfach machen, was man will.
- Hochmut kommt vor dem Fall.
- Ohne Fleiß kein Preis.
- Wer schön sein will, muss leiden.
- Keiner nimmt mich ernst.
- Als Frau wird man immer benachteiligt.
- Ich muss funktionieren.
- Wer Gefühle zeigt, ist schwach.
- Ich bin zu alt, um noch etwas Neues zu beginnen/lernen.
- Man sollte nie zufrieden mit sich sein.
- Meine Meinung interessiert keinen.
- Andere Menschen sind wichtiger als ich selbst.
- Eine gute Frau muss kochen können.
- Männer müssen stark sein.
- Ich bin beziehungsunfähig.
- Bloß kein Risiko eingehen.
- Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Die Liste dieser Überzeugungen kann beliebig erweitert werden, das ist ganz leicht und leider die gelebte Normalität in unseren Leben.
Sucht euch nun bitte einen dieser Sätze aus, bei dem ihr sofort merkt, „Ups, ja, das trifft auf mich zu.“
Und jetzt wird es spannend.
Wahrscheinlich erinnert ihr euch an eine Situation aus eurem Leben, in der dieser Satz wie die Faust aufs Auge passte.
Erinnert ihr euch?
Und jetzt nehmt bitte mal das Gefühl wahr, das in dieser Situation mitschwingt.
Vielleicht ist es Traurigkeit, oder Wut darüber, dass ihr so behandelt wurdet.
Oder es kommt eine Sehnsucht in euch auf, weil ihr nicht verstehen könnt, warum ihr denn noch immer so denkt, obwohl ihr eigentlich schon andere Ansichten habt.
Über diese Gefühle kommen wir nun an die Wurzel des Glaubenssatzes.
Der erste Schritt ist immer das bewusste Hinschauen.
Dieser Aha-Effekt, „oha, das ist ja interessant. Aber glaube ich das wirklich?“
Es gibt fantastische Möglichkeiten, sich der Glaubenssätze zu entledigen.
Ja man kann sogar nicht nur die negativen, hindernden und einengenden Glaubenssätze verabschieden, man kann sie sogar durch stärkende, positive, neue Glaubenssätze ersetzen.
Schritt für Schritt kommt man dann dem Menschen näher, der man wirklich ist.
Und ich kann euch sagen, das fühlt sich gut an!
Authentisch!
Sich selbst nah!
Probiert es doch mal aus, es lohnt sich!
Und nehmt es ruhig mit einem Lächeln, wenn ihr wieder mal über einen Glaubenssatz stolpert, der so gar nicht mehr in euer Leben passt.
Seht ihn euch an, begutachtet ihn, fragt euch, ob ihr ihn noch braucht und dann lasst ihn gehen.
Ich wünsche euch viel Spaß auf der Reise zu euch selbst!
Eure Julia

Da stellt sich mir die Frage, welche Wirkung das Lesen eines Buches auf uns hat.
Kennt ihr das? Ihr taucht ein in die andersartige, wundersame Welt eines Buches und geht vollkommen darin auf? Neigen sich die Seiten so langsam dem Ende zu, so lest ihr immer langsamer, damit ihr noch ganz viel von dem Buch und dem Gefühl habt?
Forscher der Kingston University, London haben herausgefunden, dass uns Lesen freundlicher und einfühlsamer macht. Laut einer Studie kanadischer Psychologen konnten sich Probanden, die in Romanen schmökerten besser in Geschichten und Figuren hineinversetzen und sie schnitten auch bei einem Empathietest besser ab.
Klar ist, dass der Signalaustausch zwischen den verschiedenen Hirnregionen verbessert wird. Das leuchtet ein, denn stellt euch vor, welche Areale im Gehirn stimuliert werden, um das Gelesene zu verarbeiten. Unsere Vorstellungskraft ist gefragt. Die Fähigkeit, sich in Situationen hineinzudenken, die ganze Umgebung des Geschehens lebendig werden zu lassen.
Schon Voltaire hielt fest: Lesen stärkt die Seele
Auch ist es wissenschaftlich bewiesen, dass sich Lesen stressmindernd auswirkt.
Wer kennt das Gefühl nicht, mit den Figuren des Buches ganz
eins zu sein. Die Stimmung eines Buches noch weit über das Fertiglesen hinaus
zu spüren, oder Inhalte in sein Leben zu integrieren.
Oft fühlen wir uns bestätigt, wenn wir lesen, dass es ganz normal und gut ist,
sich so oder so zu fühlen. Ein Gefühl des Angenommenseins kann sich entwickeln.
Mich interessiert, was ihr gerne lest! Schreibt mir in die Kommentare, wie ihr euch fühlt, wenn ihr ein rundum gutes Buch gelesen habt.
Ich wünsche euch einen schönen Tag mit der ein oder anderen gelesenen Seite!
Ich sitze an einem Mittwochnachmittag im Bus, um meine große Tochter an der Schule abzuholen. Normalerweise fährt sie allein nach Hause, aber heute ist kein normaler Tag, heute kommt sie vom Schullandheim zurück und ich bin aufgeregt und freue mich auf sie.
Dieser Tag ist wieder mal vollgestopft mit Anforderungen,
heute noch ein paar mehr und ich befinde mich im „Hetz-Modus“, hetze von einem
Knotenpunkt zum nächsten, hangele mich zwischen Terminen und Busfahrten durch
den Tag.
So sitze ich also hier im Bus, die Sonne scheint, ich blicke aus dem Fenster
und ZACK... da schießt mir beim Anblick der in wunderschönes hellbraun, orange
gefärbten Bäume, die die Straße säumen dieser Satz durch den Kopf: „ Nimm dir einen Moment Zeit für
diesen Anblick
…“
Zeit, die Natur im Wandel wahrzunehmen. Ein paar Momente nur dieses Naturschauspiel auf sich wirken lassen. Wie wunderschön und mächtig und autark. Allein dieser Anblick, dieser kurze Moment, entspannt mich zutiefst. Wie ein im Innersten begeistertes Kind lasse ich diese schöne Allee auf mich wirken.
Ich frage mich noch, woher dieser Gedanke denn nun so plötzlich herkam. Warum schießt mir das durch den Kopf? Und als ich am Abend an dieses Erlebnis zurückdachte, wollte ich mal wissen, wie sehr sich die Natur auf uns Menschen auswirkt und begann zu recherchieren. Mit erstaunlichen Ergebnissen.
Clemens Arvay, der Biologe und Autor des Buches: „Der Biophilia-Effekt“, schreibt:
„ Einerseits ermöglicht uns die Natur den Abstand von der Gesellschaft, den Abstand auch von sozialen Problemen, von krankmachenden Problemen am Arbeitsplatz und natürlich von Umweltschadstoffen. Und andererseits ist die Natur auch ein Ort der Inspiration, wo wir durch die vielen Sinneswahrnehmungen die Möglichkeit finden, andere Gedankengänge, andere Problemlösungsansätze zu entwickeln.“
Soweit so gut, dachte ich mir.
Ich will es noch genauer wissen und befrage eine langjährige Bekannte nach den
Auswirkungen der Natur auf uns Menschen.
Birgit Tartler ist Wildnispädagogin, Systemische Familientherapeutin und
Biographieberaterin:
„ Zeit nehmen ... Es liegt nicht an Zeit, denn die haben wir. Es ist die Fähigkeit, ganz im Augenblick zu sein, die uns abhandengekommen ist. Ganz bei uns zu sein - gegenwärtig sein. Die Gegenwart ist ja immer nur ein kurzer Moment. Wenn wir gegenwärtig sind, dann sind wir mit unserer inneren Mitte verbunden und da liegt die Kraftquelle…“
„Warum gelingt uns dies in der Natur am besten? Weil wir hier am einfachsten und eindrucksvollsten die Schöpfung erkennen.“
„Jetzt im Herbst gilt es, regelmäßig loszulassen. Der Baum lässt komplett alles los, jedes einzelne Blatt. Er zieht seine Säfte in seine Wurzeln zurück. Hier sammelt er über den Winter Kraft für Erneuerung, die dann im Frühjahr zu sprießen beginnt, herausdrängt, und sich der Welt neu zeigt. So sind auch wir eingeladen und dazu aufgefordert, Altes loszulassen, unsere Energie in unserer Mitte zu zentrieren -wir besinnen uns auf uns selbst-, werden eine Weile still, tanken Kraft aus der inneren Quelle, um dann den neuen Impulsen zu folgen, die aus unserer Tiefe sprießen.“
Ich glaube, das ist es. Im Herbst werden wir oft
melancholisch und bereiten uns gedanklich schon auf die graue, lange Winterzeit
vor. Oft genug vergessen wir diesen wichtigen Herbst. Das LOSLASSEN ist für
viele von uns schwierig und wird deshalb gerne mal links liegen gelassen. Für
viele von uns sind die Blätter auf den Gehwegen ein nervendes Übel, das
beseitigt werden muss.
Unsere Kinder gehen mit dem Herbst automatisch anders um.
Sie bauen Blätterhügel, in die sie sich reinfallen lassen, sie suchen
unablässig nach Kastanien, aus denen man lustige und skurrile Männchen basteln
kann. Sie scheinen sich mit der Natur zu verbinden und mit ihr im Rhythmus zu
schwingen.
Vielleicht sollten wir auch mal wieder öfter in einen Wald gehen, so wie es
viele Umweltpsychologen erkannt haben.
Unter ihnen Renate Cervinka, die mit ihren Kollegen herausgefunden hat, dass der Wald die physische genauso wie die psychische Gesundheit von Menschen stärkt: Schon 5 Minuten im Wald spazieren zu gehen, lässt das Herz messbar ruhiger schlagen, den Blutdruck sinken und die Muskeln entspannen.
Das sind die messbaren Auswirkungen.
Die nicht messbaren, nur individuell fühlbaren Auswirkungen sind die innere
Verbundenheit, die wir wieder spüren können. Wir erkennen die Schöpfung.
Als ich das begreife, verstehe ich endlich auch, warum mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss.
„Die äußere Natur wirkt in unsere innere Natur hinein, denn eine Trennung gibt es nicht. Wir gehen ganz intuitiv in Resonanz. Wir werden gewahr, dass die beobachtbare Natur der größte Lehrmeister aller Zeiten ist. Sie lebt uns alles vor“, sagt Birgit Tartler. Und ich finde, in diesen Worten steckt vieles, über das man sich Gedanken machen sollte.

Ich war 8 Jahre alt, als meine Mutter mich zu einem Kurs für
„Autogenes Training“ anmeldete.
Weil ich sehr schüchtern war als Kind, hielt sich meine Freude natürlich erst einmal in Grenzen. Neue Leute, andere Umgebung, etwas tun, das ich noch nicht kann. Wuahhhh – das reichte schon aus, um nicht gerne hinzugehen.
Nun lernten wir aber in einer Runde von ca. 10 Kindern jede Woche etwas vom Autogenen Training dazu. Wir lernten, dass man sich gezielt entspannen kann. Man seinen Atem wahrnehmen kann, ja sogar, dass wir die Fähigkeit besitzen, quasi auf Befehl eine körperliche Reaktion hervorzurufen. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich und ich integrierte das Autogene Training von nun an in mein Leben. Wenn ich aufgeregt war vor einer Prüfung in der Schule, nahm ich mir morgens eine Viertelstunde Zeit, zog mich zurück und entspannte mich auf Befehl.
Jahre später, ich war eine junge Frau geworden, hatte ich ein sehr traumatisches Erlebnis. Viele von euch erinnern sich an die Millennium Nacht. Der Jahrtausendwechsel. Überall wurde gefeiert was das Zeug hielt. Auch ich befand mich in meiner Heimatstadt im Getümmel, als ganz plötzlich in der Gasse, in der ich mich befand, eine Massenpanik ausbrach. Die einen wollten in die eine Richtung, die anderen in die entgegengesetzte und ich war mittendrin, konnte nicht weglaufen, nicht gegen die Kraft der Masse ankämpfen – beides Impulse aus der Steinzeit, die sich bis heute nicht verändert haben. Wenn wir uns einer Bedrohung ausgesetzt fühlen, reagieren wir blitzschnell. Das regelt unser vegetatives Nervensystem von ganz allein. Wir kämpfen, wir fliehen oder wir stellen uns tot (heute nicht mehr direkt so, aber lange Zeit war dies eine Möglichkeit, dem Feind zu entkommen).
Nun war ich in dieser Gasse eingesperrt, mit mir Hunderte andere Menschen und wir kamen weder vor noch zurück. Es entstand Panik, ich wurde gegen das Schaufenster eines Geschäfts gedrückt, bekam kaum Luft. Dieses Erlebnis hatte irgendetwas in mir ausgelöst. Ganz tief in mir spürte ich unbändige Angst.
Diese Angst wurde aber mehr und mehr Bestandteil meines Alltags. Und diese Angst war körperlich zu spüren, nahm mir die Luft zu atmen, ließ mich zittern, schränkte mich immer mehr ein. Ich hatte innerhalb weniger Monate Panikattacken entwickelt, begründet durch eine Angststörung. Was folgte, waren Monate in einer Selbsthilfegruppe, Gespräche mit einer Therapeutin und die Überzeugung, ich würde nie wieder so werden, wie ich mal war.
Ich bin froh, damit recht behalten zu haben. Ich wurde nie wieder, wie ich mal war. Ich hatte die Möglichkeit bekommen, mich richtig kennenzulernen und zu entscheiden, wie und wer ich sein möchte.
Als es mir langsam besser ging, entwickelte ich das Autogene Training aus meiner Kindheit für mich weiter. Ich hatte noch oft Probleme, wenn ich beispielsweise mit der U-Bahn fahren musste, oder mich in geschlossenen Räumen aufhielt. Wenn ich spürte, dass eine Attacke im Anmarsch ist, fixierte ich einen Punkt, konzentrierte mich ausschließlich auf meine Atmung, nahm in Gedanken meine Hand und hielt mich selbst ganz fest. Die Attacke kam dann zwar trotzdem, aber ich wusste nun, wie ich damit umgehen kann.
Wisst ihr, was meine Therapeutin einmal zu mir sagte, als ich sie nach 8 Monaten Therapie fragte, wann sie mir denn nun endlich helfen würde? Sie sagte: „Es wird der Tag kommen, an dem Ihr Leben so sehr eingeschränkt ist, dass sie aufstehen und sagen ES REICHT. Und an diesem Tag werden Sie beginnen, sich selbst zu heilen.“
Sie hatte recht mit dem was sie sagte. Und ich bin unendlich dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, dies zu erkennen. Jede und jeder von uns kann sein / ihr Leben verändern.
Es ist deine Entscheidung, welchen Weg du gehst.
Herzlichst,
Julia